Künstlerinnen fördern und in den Fokus zu rücken: Das ist das Ziel der Ottilie-Roederstein-Stipendien des Hessischen Ministeriums für Wissenschaft und Forschung, Kunst und Kultur. Die Stipendien werden in diesem Jahr zum dritten Mal vergeben. Insgesamt 105 Künstlerinnen aller Sparten haben sich in drei Kategorien beworben. Die Jury hat neun Künstlerinnen, darunter ein Kollektiv, für Haupt-, Nachwuchs- und Arbeitsstipendien ausgewählt. Christoph Degen, Staatssekretär im Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Forschung, Kunst und Kultur hat die Stipendien am Dienstag in Hofheim am Taunus übergeben – an einem symbolträchtigen Ort: Im Haus im Roedersteinweg 2 lebte die 1859 geborene Malerin Ottilie W. Roederstein mit ihrer Lebensgefährtin Elisabeth Winterhalter.
„Mehr als die Hälfte der Studierenden an den hessischen Kunsthochschulen sind Frauen – aber trotzdem sind professionelle Künstlerinnen in der Wahrnehmung der Öffentlichkeit immer noch zu wenig präsent“, so Staatssekretär Christoph Degen. „Dabei leben Kunst und Kultur von der Beteiligung aller – und vom kritischen Blick derer, deren Arbeit nicht immer sichtbar ist. Das wollen wir mit den Ottilie-Roederstein-Stipendien erreichen. Die aktuellen Stipendiatinnen setzen sich mit gesellschaftlichen Konflikten, Herkunft und Zugehörigkeit sowie der Verkörperung von Traditionen auseinander, sie lassen uns an Kunst für den Kopf und für die Sinne teilhaben. Ich gratuliere ihnen zu ihrem Erfolg. Mit der Übergabe im ehemaligen Wohnhaus von Ottilie W. Roederstein erfüllen wir zudem posthum einen Lebenswunsch der Künstlerin am Originalschauplatz: Von hier setzte sie sich dafür ein, Künstlerinnen besser sichtbar zu machen.“
Hauptstipendien 2023
Eines von zwei Ottilie-Roederstein-Hauptstipendien 2023 geht an die Regisseurin Carolin Millner und ihre Gruppe ELEGANZ AUS REFLEX. Millner ist Absolventin des Regiestudiengangs an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Frankfurt und Mitbegründerin der Frankfurter Produktionsplattform studioNAXOS. In Arbeit „Macht endlich das Licht an! Märchen über Familie Rothschild“ widmet sie sich gemeinsam mit ihrer Gruppe dem Leben und Wirken der Familie Rothschild. Dabei setzen sie sich mit der Genese antisemitischer Verleumdungen und Verschwörungstheorien auseinander.
Das zweite Hauptstipendium geht an Valentina Knežević. Sie arbeitet mit Video und Fotografie und beschäftigt sich mit Gewalt, Krieg und Versöhnung. In ihrem aktuellen Projekt untersucht die Künstlerin die Korida, die Tradition der unblutigen Stierkämpfe als Parabel für ritualisiertes Kräftemessen. Kneževićs Fragen kreisen um das kraftvolle Austragen von Konflikten unter Tieren, um das gesellschaftspolitische Potenzial der Korida, um die Rolle von Religion und um neue Wege für eine Versöhnung von Gesellschaften, die unter den Folgen von Kriegen leiden.
Beide Hauptstipendien sind mit 40.000 Euro dotiert zuzüglich bis zu 30.000 Euro Projektmittel.
Nachwuchsstipendien
Eines von drei Nachwuchsstipendien erhält die Choreographin Anna Lublina. Ihre aktuelle Arbeit „RHYTHM AND JEWS“ beschreibt die Absolventin des Masterprogramms für Choreographie und Performance der Justus-Liebig-Universität Gießen als Untersuchung der in ihrem Körper verborgenen Rhythmen ihrer Vorfahren, was sie mit dekolonisierenden Erzählweisen und Fragestellungen in Verbindung bringt.
Die Tänzerin und Choreographin Emmilou Rössling verwandelt mit ihrer Performance „Schemes of an Hour“ den Garten des Städelmuseums zum Performanceort für fünf Tänzerinnen und Tänzer während des Sonnenuntergangs, einem offenen Raum, der für alle zugänglich ist, vor allem auch für Personen, die eine Aufführung in einem geschlossenen Raum oder Theater nicht besuchen können.
Die aus Daegu in Südkorea stammende und in Hessen lebende Hyunju Oh setzt sich auf einfühlsame Weise mit der Fragilität und Komplexität unserer Zeit auseinander und kreiert mit ihrer Installation „Mutterboden“ poetische und metaphorische Raum- und Soundinstallationen, Performances und Zeichnungen.
Die zwei Nachwuchsstipendien sind mit jeweils 10.000 Euro dotiert, hinzu kommen bis zu 15.000 Euro Projektmittel für die Umsetzung des Vorhabens.
Arbeitsstipendien
Mit fünf Arbeitsstipendien werden Künstlerinnen ausgezeichnet, die aufgrund der Betreuung eines Kindes oder der Pflege eines nahen Angehörigen erschwerte Arbeitsbedingungen haben und sich dennoch weiter ihrer nachgewiesenen seriösen künstlerischen Tätigkeit widmen möchten. Die Arbeitsstipendien sind mit jeweils 5.000 Euro dotiert. Die Arbeitsstipendien erhalten Amelie Persson (spartenübergreifend, Frankfurt am Main), Esther Boldt (Literatur, Frankfurt am Main), Hilda Stammarnäs (Bildende Kunst, Frankfurt am Main), Martha Friedel (Bildende Kunst, Kassel) und Susan Schädlich (Literatur, Frankfurt am Main)
In der Jury saßen eine Vertreterin des Hessischen Ministeriums für Wissenschaft und Kunst, Dr. Sylvia Metz, stellvertretende Geschäftsführerin der Hessischen Kulturstiftung, Prof. Parastou Forouhar, Künstlerin und Professorin für Bildende Künste an der Kunsthochschule Mainz, Carola Reul, Geschäftsführerin Junge Deutsche Philharmonie, und Dr. Philipp Schulte, Geschäftsführer Hessische Theaterakademie.